Der Lebenszyklus des Kleinen Fuchses

(geschrieben und fotografiert im Sommer 1989)

Der Kleine Fuchs ist derzeit noch einer der häufigsten Schmetterlinge. Seine "Brennnesselraupe"daher der lateinische Name Aglais urticae, urticae = Brennessel, ist an Nesselbeständen zu finden, in deren Nähe keine Insektizieden verwendet werden. Wie das Tagpfauenauge oder der Zitronenfalter, die schon an warmen Februar- oder Märztagen fliegen, überwintert auch der Kleine Fuchs als Schmetterling und wird von der Frühlingssonne aus seinem Unterschlupf hervorgelockt.

Entwicklung ist von der Temperatur abhängig

Schmetterlinge sind wechselwarme Tiere. Ihre Körpertemperatur hängt also unmittelbar von der Umgebung ab. Deshalb ändert sich ihre Aktivität und die Geschwindigkeit ihrer Entwicklung je nach Witterung: Je wärmer die Umgebung ist desto schneller verläuft die Entwicklung. Kalenderdaten und auch Angaben über die Dauer der einzelnen Entwicklungsphasen, sind deswegen nur grobe Anhaltspunkte. In der Regel gilt: Die wenigen Tiere, die den Winter überlebt haben, paaren sich im April oder Anfang Mai und legen anschliessend ihre Eier ab. Wenn der Frühling besonders warm ist, kann man schon in den ersten Apriltagen Gelege finden. Aus ihnen schlüpfen die Raupen, welche die Schmetterlinge für die zweite Generation liefern. Da diese Tiere von Umwelteinflüssen viel weniger beeinträchtigt werden als die überwinternde Generation, flattern im Juni und Juli plötzlich viele Schmetterlinge. Wenn sie genügend Raupenpflanzen finden, so kann es - so eine alte Faustregel in der Zeit um den längsten Tag zu wahren Massenvermehrungen kommen. Dann sind auch wieder Raupen zu finden.

Eiablage

Nach der Paarung sucht das Weibchen in offenem, möglichst sonnigem Gelände einen Brennesselbestand, den es mit seinem Geruchsinn findet. Für die Eiablage kommen nur Brennesseln in Frage, wiel sich die Raupen des Kleinen Fuchses ausschliesslich von Brennesseln ernähren. Die Schmetterlings

dame legt ihre ganze Eimasse als Paket an die Unterseite eines Brennesselblattes. Bei der Ablage werden die Eier mit dem Spermienvorrat befruchtet, den das Weibchen bei der Paarung aufgenommen hat. Kurz darauf stirbt die Schmetterlingsgeneration, die jetzt für Nachwuchs gesorgt hat. Sie ist ein halbes Jahr alt geworden und hat damit ein vergleichsweise hohes Schmetterlingsalter erreicht nur der Zitronenfalter lebt noch länger.

Die Raupen schlüpfen

Nach zwei bis drei Wochen schlüpfen 80 bis 100 winzige Räupchen. Sie beginnen sofort mit ihrem einzigen Lebensinhalt: Fressen und Vorräte anlegen. Sie sind gesellig, bilden dichtgedrängte Kolonien und ziehen auch gemeinsam von einer leergefressenen Staude zu einer frischen. Mit dem Absondern ihrer Spinndrüse (sie mündet an der Unterlippe) spinnen sie dabei Gespinnste, die manchmal mehrere Blätter zu einem schützenden Zelt zusammenziehen.

Die Häutungen

Nach einer jeweils fünf- bis achttägigen Fressperiode müssen die Raupen eine Häutungsphase einlegen, in ihrem Raupenleben drei- bis viermal. Der Grund: Die zwischen den starren Körperabschnitten liegenden dünnhäutigen Falten erlauben nur eine geringe Dehnung, die nicht dem ganzen Wachstum folgen kann. Zur Häutung stellen die Raupen für zwei bis drei Tage das Fressen ein. Meist versammeln sie sich zuoberst, im Sommer also im Blütenstand einer Brennesselpflanze, und bilden dort ein Gespinst, in dessen Schutz sich alle gleichzeitig häuten.

Zuerst spinnt jede Raupe auf der Unterlage ein Polster, in dem sie sich mit den Nachschiebern (dem hintersten Beinpaar) verankert. So verharrt sie fast unbeweglich; nur bei Störungen schlägt sie "unwillig" mit dem Kopf aus und sondert einen grünen Abwehrsaft ab. Während dieser Pause bildet sich unter der alten Haut die neue, noch weiche Haut heran. Plötzlich reisst die alte Haut hinter der Kopfkapsel, und die Raupe befreit sich unter zuckenden Bewegungen vom alten Kleid, das schnell zusammenschrumpft und auf der Unterlage klebend zurückbleibt, wenn die Raupen ihre Häutungsversammlung auflösen und wieder zu fressen beginnen. Die Gespinnste der Häutungsgemeinschaft mit den zurückgelassenen Pelzkügelchen sind die auffälligsten Hinweise auf das Vorkommen von Raupen, wenn man Brennesselbestände nach ihnen absucht.

Die Verpuppung

Die zuerst dunklen Raupen werden mit zunehmender Körpergrösse etwas heller, weil die zwei gelben Längsstreifen pro Körperabschnitt auf der Rückseite deutlicher hervortreten. Wenn dann nach drei bis vier Wochen die Verpuppung naht, verlassen die Raupen die Fressgemeinschaft und werden Einzelgänger. Die meisten wandern, wenn sie zum fressen aufhören, vom Brennesselbestand ab und suchen nach einem günstigen Verpuppungsort. Diesen wählen sie nach dem Rezept: "Hochklettern bis man anstösst. Deshalb sind später die Puppen an Gebäuden unter Querleisten, Fenstersimsen, Balkonen und Dachvorsprünge zu finden, an Bäumen unter Astgabeln, an der Brennesselstaude selbst an den Blattansätzen.

Die Raupe spinnt nun ein kleines Gespinstpolster, in dem sie sich mit den Nachschiebern fest verankert. Dann lässt sie sich mit allen andern Beinen los und hängt nun "gestürzt" (Stürzpuppe) einen Tag lang wie ein Spazierstock in J-Stellung mit dem Kopf nach unten, bis die letzte Häutung einsetzt. Am folgenden Tag teilt sich die alte Haut am Kopfende und schiebt sich, zu einem kleinen Pelzklümpchen zusammenschrumpfend, zum Hinterende hinauf. Nun zieht die frischgeschlüpfte, noch leuchtend grüne und bewegliche Puppe ihr Hinterteil aus der Raupenhaut, die dabei zu Boden fällt, und verankert sich definitiv im Gespinst.

Dass die Raupen zuerst gemeinsam in Gespinsten leben, sich aber dann kurz vor der Verpuppung voneinander isolieren, hat wahrscheinlich einen doppelten Vorteil: Die Gespinnste schützen die Raupen vor einem Teil der Fressfeinde und Parasiten; die Vereinzelung während der ohne Schutz durch Gespinste verlaufenden Verpuppungsphase verhindert andererseits den Monokultureffekt für die in diesem Stadium besonders erfolgreichen Parasiten. Vor und unmittelbar nach der Verpuppungshäutung, wenn die Larve wehrlos kopfunter hängt, legen die Schlupfwespen ihre Eier in die Raupen und die noch weichen Puppen ab, so dass dann später Wespen statt Schmetterlinge aus den Puppen schlüpfen.

Der Schmetterling schlüpft

Das Durchschimmern der roten Flügelfarbe signalisiert das Ende der Verpuppung. Die Schmetterlinge schlüpfen meistens in den Morgenstunden. Wenn sich eines Morgens einige Puppen etwas strecken und dabei die Hinterleibsringe etwas auseinandertreten, steht der Schlüpfvorgang unmittelbar bevor. Die Puppenhaut platzt entlang den Nähten, in denen die Fühler liegen, und der Schmetterling stösst mit leisem Knistern das Fühlerdreieck der Puppenhaut auf. Der Falter streckt zuerst die Fühler und die Vorderbeine heraus, dann stemmt er mit den Flügelstummeln die papierdünne Behausung auseinander, und nachdem er mit den freien Beinen einen Halt gefunden hat, zieht er den Körper vollends aus der Puppenhülle. Sogleich rollt er seinen eben noch gestreckten Rüssel wie eine Uhrfeder spiralförmig ein.

Die noch feuchten, herabhängenden Flügel müssen nun noch gespannt werden: Zu diesem Zweck pumpt der Schmetterling Luft in die Atemröhren (Tracheen).Die Entfaltung der Flügel dauert etwa 20 bis 30 Minuten, aber erst nach ein bis zwei Stunden sind die Flügel erhärtet und stabil, damit der Schmetterling zu seinem Erstflug starten kann.

Vor dem Wegfliegen wirft der Schmetterling noch Ballast über Bord: Er scheidet einige Tropfen roter Flüssigkeit, den sogenannten Puppenharn aus, die Abfallprodukte des Puppenstoffwechsels. Da die Lebensvorgänge der unter gleichen Temperaturverhältnissen lebenden Raupen und Puppen auffällig synchron ablaufen, schlüpfen am gleichen Vormittag viele Schmetterlinge gleichzeitig aus.

Beim Kleinen Fuchs entstehen vom Frühjahr bis Herbst zwei, manchmal drei Generationen. Die letzten Schmetterlinge dieser Art schlüpfen im September. Bei einbrechender Kälte suchen sie einen windgeschützten Ort zum Überwintern auf. Baumhöllen und Felsritzen, aber auch Mäuselöcher und Dachböden, Scheunen und Keller werden dabei bevorzugt. Hier überwintern die Schmetterlinge in der Kältestarre, bis sie im folgenden Frühling durch steigende Temperaturen wieder hervorgelockt werden.

TAGEBUCH DES KLEINEN FUCHSES

Samstag 15.Juli.1989 Fundtag der Raupen (nach ersten Festellungen Raupen des Kleinen Fuchses, Nesselfalter); Fundort: Bei der Ochsenbrücke Samedan.(Foto)

Anzahl der Raupen konnte nicht festgestellt werden.

Sonntag 16.Juli.1989 Die Raupen fressen an den Brennesseln

Montag 17.Juli.1989 Die Raupen fressen nicht mehr sie sind alle gemeinsam in ihrem Gespinst. Die erste Häutung.

Dienstag 18.Juli.1989 dito.Montag Vereinzelt bis am Abend

die Häutung abgeschlossen.

Mittwoch 19.Juli.1989 Alle Raupen haben die erste Häutung abgeschlossen.Sie fressen wieder.Die Farbe der Raupen ist dunkler geworden.Das Futter zum ersten mal gewechselt.

Donnerstag 20.Juli.1989 dito. Mittwoch

Freitag 21.Juli.1989 Die Raupen fressen normal.(Foto)

Samstag 22.Juli.1989 Die Raupen sind wieder alle beisammen in einem Gespinst im Wipfel Ihrer Brennnessel. Die zweite Häutung hat begonnen.

Sonntag 23.Juli.1989 dito.Samstag Bis zum Abend haben die Raupen vereinzelt die Häutung bereits abgeschlossen

Montag 24.Juli.1989 Zweite Häutung der Raupen ist abgeschlossen. Sie fressen wieder. Das Futter zum zweiten mal gewechselt.

Dienstag 25.Juli.1989 Die Raupen nehmen ihre Nahrung normal auf.

Mittwoch 26.Juli.1989 Die Raupen sind in drei Gruppen aufgeteilt dieses Mal haben sie sich nicht eingespinnnt. Die Häutung beginnt zum dritten Mal. Futter gewechselt.

Donnerstag 27.Juli.1989 Die dritte Häutung ist bis zum Abend

abgeschlossen.

Freitag 28.Juli.1989 Die Raupen fressen wieder normal.(Foto)

Samstag 29.Juli.1989 Die Raupen fressen normal. Das Futter

wieder gewechselt.Ca.30 Raupen wieder in die Freiheit entlassen, beim Fundort.

Sonntag 30.Juli.1989 Die Raupen fressen normal jedoch nur noch Nachts rege Aktvität. Die Raupen sind infolge ihres

stark erhöhten Körpergewichtes sehr träge geworden. 5 Brennnesseln neu reingelegt.

Montag 31.Juli.1989 dito Sonntag.

Dienstag 1.August.1989 Futterpflanzen gewechselt.Temperatur

Einsturz,dadurch mindere Fresstätigkeit bei den Nesselfalterraupen.(Fotos)

Mittwoch 2.August.1989 dito Dienstag.Die Raupen sind jetzt ausgewachsen

Donnerstag 3.August 1989 Die Raupen haben sich jetzt alle Kopfunter aufghängt sie bereiten sich vor auf die Verpuppung.

Freitag 4.August 1989 Bis zum Abend haben sich fast alle Raupen zum letzten mal gehäutet; sie haben sich verpuppt. (Foto)

Samstag 5.August 1989 Nun beginnt die Puppenruhe.

Dienstag 8.August 1989 Die Raupen die sich nicht verpuppt haben werden aus dem Raupenkasten entfernt.Diese sind verhaltensgestört. Bei einer Puppe, wurde Fäulnis entdeckt auch sie wurde entfernt. Ich besitzte jetzt noch 59 Puppen.

Samstag 19.August 1989 Erster Teil der Falter schlüpfen! (ca.15)

Sonntag 20.August 1989 Die zweite Schlupfwelle hat eingesetzt (ca.30)

        

                 

 

Montag 21.August 1989 Die dritte Schlupfwelle (7 Stück)

Dienstag 22. August 1989 Die letzten Falter schlüpfen

(7 Stück). Zwei Falter konnten sich nicht aus der Puppenhülle befreien sie sind eingegangen.

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17.09.02 13:13:00